Susanne Holtkotte, Reinigungsfachkraft und Gewerkschaftlerin aus Bochum, hat sich in die Rentendebatte eingemischt. Sie will denen eine Stimme geben, die viel arbieten, wenig Geld verdienen und später eine klägliche Rente bekommen. So wie sie selbst. Ein Porträt aus Anlass der Verabschiedung der Grundrente im Bundestag am 2. Juli 2020 in „der Freitag“ (Ausgabe 28/2020).
Kategorie: Rentenpolitik
Die Grundrente ist ein Meilenstein
Vor gut zwei Wochen hat sich die Koalition auf die Bedingungen für die Zahlung einer Grundrente geeinigt. Sie ist ein Meilenstein in der Entwicklung unseres Sozialsystems. Denn sie markiert den längst überfälligen Bruch mit dem Äquivalenzprinzip – der Regel „Rente gibt’s nur gegen eingezahlte Beiträge“, die Rentnerinnen und Rentner, die weniger erfolgreich am Arbeitsmarkt waren, jahrzehntelang in die Sozialhilfe abgeschoben hat. Die Grundrezeptur stimmt also, aber das Ergebnis ist verbesserungswürdig. Warum die Grundrente ein richtiger Schritt in die richtige Richtung ist, aber Nachbesserungen dringend nötig sind … weiterlesen im Interview mit „Das Parlament“ vom 18. November 2019
„Rettet die Rente vor der AfD“
Längst hat auch die AfD das Thema Rente für sich entdeckt und schlachtet es ähnlich populistisch aus wie das Thema Migration. Etwa ein Jahr nach ihrem Einzug in den Bundestag hat die Partei nun auch Konzepte zur Reform des Rentensystems vorgelegt. Eines stammt aus der von Björn Höcke angeführten thüringischen Landtagsfraktion, für das andere ist der Parteivorsitzende Jörg Meuthen verantwortlich. Die Papiere sind sachlich im Ton und schließen inhaltlich beide an die Idee der AfD einer ethnisch homogenen Nation an. Ansonsten liegen die Vorschläge der beiden AFD-Politiker meilenweit auseinander. Hier Höckes sozial-völkisch ausgerichter Entwurf, dort Meuthens radikal neoliberales Konzept. Mischt die AfD damit wirklich die Rentendebatte auf, wie die FAZ kürzlich meldete? Weiterlesen in der taz
SPD/CDU Rentenwahlkampf – ohne Ideen
Die SPD hat mit Kanzlerkandidat Martin Schulz das Thema Rente hoch gehängt im Wahlkampf, höher als alle anderen Parteien. Die zweite Regierungs- und Volkspartei CDU ist rentenpolitisch im Moment dagegen auf Tauchstation, kündigt aber immerhin für Anfang Juli „Aussagen“ an. Damit ist der Wahlkampf weit enfernt davon, „ein Ort des politischen Ideenwettbewerbs“, zu sein, wie ihn der ZEIT-Journalist Mark Schieritz einfordert.
Die Kernforderung der SPD ist, das Rentenniveau auf dem heutigen Niveau zu stabilisieren, anstatt es bis 2030 auf 43 Prozent sinken zu lassen. Aber ist das eine ausreichende Antwort? Weiterlesen
SPD-Solidarrente: Bringt sie wirklich „Respekt, Wertschätzung und Gerechtigkeit“?
Ende letzten Jahres gab ich dem SPD-Debatten Magazin Berliner Republik als Autorin des Buchs „Die verratenen Mütter. Wie die Rentenpolitik Frauen in die Armut treibt“ ein ausführliches Interview: „1889 war die Rente progressiver“ setzte die Reaktion als Titel darüber. Das ist eine provokante Aussage, aber sie enthält einen wahren Kern: Denn bei der Gründung der Rentenversicherung in Deutschland 1889 galt das Mantra „Rente nur gegen Beiträge“ noch nicht. Die Rente setzte sich aus einem einheitlichen Sockelbetrag und einem einkommensabhängigen Betrag zusammen. Dadurch wurden Einkommensunterschiede während des Erwerbslebens zum Teil ausgeglichen – das waren bis zur Rentenreform Ende der fünfziger Jahre die Regeln. Seither folgt die Rentenberechnung gnadenlos dem Prinzip „Rente nur gegen Beiträge“, wer zu wenig einzahlt, hat Pech gehabt!
Und das sind heute viele: Denn Teilzeit-Arbeit ist ein Dauertrend. 2016 gab es mehr als 15 Mio. Teilzeit-Beschäftigte (doppelt so viele wie vor 20 Jahren), davon 7 Mio. Minijobs, an jedem vierten Arbeitsplatz wird gegenwärtig weniger als 10 Euro verdient. Ein Drittel aller Frauen arbeitet, wie es so schön heißt, in „atypischen“ Verhältnissen – mit Arbeitszeiten unter 20 Stunden, befristet oder in Leih- und Zeitarbeit. So zu arbeiten ist in Deutschland also keine Ausnahme – und führt bei Millionen Rentenversicherten zu einem Rentenbescheid, der einem die Tränen in die Augen treibt: sechs-, sieben-, acht- vielleicht mit viel Glück neunhundert Euro –Summen von denen niemand leben kann, und die in keiner Weise die Lebensleistung würdigen.
Carola Reimann, SPD-Bundestagsabgeordnete aus Braunschweig mit den Arbeitsgebieten Sozial- und Gleichstellungspolitik, reagierte in der nächsten Ausgabe der Berliner Republik auf das Interview. In ihrer Replik zeigt sie Weiterlesen
Gerechte Rente statt Politik für Arme
„Zielgenaue Politik für die Armen“ fordert Georg Kremer, Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes, am 5. Februar 2017 in einem Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung. Dass sich der katholische Sozialverband in die Rentendebatte einschaltet und Partei für die „Armen“ ergreift ist lobenswert. Kremer fordert eine „moderate Erhöhung der Grundsicherung“, einen Freibetrag und ein höheres Schonvermögen für Rentner, die Sozialhilfe beantragen.
Die Frage ist nur, ob sich die, die in Deutschland kleine Renten bekommen oder in Zukunft bekommen werden, ohne weiteres in diese Schublade „Bedürftige“ stecken und mit einer Sozialleistung abspeisen lassen. Weiterlesen
Starker Arbeitsmarkt = starke Rente?
„Der deutsche Arbeitsmarkt geht stark ins neue Jahr“, mit diesen Worten begrüßte Arbeitsministerin Andrea Nahles die Öffentlichkeit in der ersten Pressemitteilung des Jahres 2017. Ja, die Zahlen sind gut: Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums stieg die Zahl der Erwerbstätigen im letzten Jahr auf knapp 44 Millionen. Das ist der Höchststand seit der Wiedervereinigung. Mit knapp 2,7 Millionen Personen im Jahresdurchschnitt war auch die Zahl der Arbeitslosen so niedrig wie seit 25 Jahren nicht mehr.
Alles gut also, auch für die Rentenerwartungen? Weiterlesen
Beamtenpensionen in Deutschland: international einzigartig gut – und ungerecht
Deutschland gehört zu den wenigen Industrieländern auf der Welt, in denen Beamte gar keine keine Beiträge in die Pensionskasse zahlen. Aber das ist noch nicht alles: Deutschland gehört auch zu den Ländern, in denen die Pensionsansprüche der Beamten fast doppelt so hoch sind wie die der gesetzlich Rentenversicherten. Diese Kombination – weit überdurchschnittlich gute Altersversorgung gegen null Beiträge – ist einzigartig, wie der internationale Vergleich der OECD im Pension Outlook 2016 zeigt (S. 164/165, Table 6.7). Weiterlesen
Die verratenen Mütter
Sieben Millionen Frauen aus den geburtenstarken Jahrgängen gehen in den nächsten Jahren in Rente. Sie sind gut ausgebildet und berufstätig – trotzdem wird etwa ein Drittel von ihnen werden nicht mehr als 600 Euro Rente bekommen. Kristina Vaillant beschreibt das Ausmaß dieses Skandals und nennt die Ursachen: eine Rentenpolitik, die die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt ausblendet und eine Rentenberechnung, die die Unterschiede zwischen den Geschlechtern nicht verringert, sondern systematisch vergrößert. Dabei gibt es Alternativen, wie Beispiele aus anderen euroäischen Ländern zeigen – sozial gerechte Rentensysteme, die auch die Lebensleistung von Frauen würdigen.
„Die verratenen Mütter. Wie die Rentenpolitik Frauen in die Armut treibt“. Droemer Knaur, 160 S., Klappenbroschur 12,99 €/E-Book 10,99 €
Interview zum Buch in der Berliner Zeitung, 3.10.2016
Vorgestellt im NDR-Kulturjournal, 26.09.2016
1889 war die Rente progressiver
So lautet die Überschrift zu einem Interview, das Nane Retzlaff für das Debattenmagazin Berliner Republik mit mir geführt hat. Dass die Rentenversicherung im Jahr ihrer Gründung progressiver war, ist natürlich eine Zuspitzung. Was aber stimmt: Die Art der Rentenberechnung folgte nicht strikt dem Prinzip „Rente nur gegen Beiträge“ so wie heute. Angesichts ungleicher Chancen auf dem Arbeitsmarkt wäre es gerechter für alle, wenn wir wieder zu einer solidarischen Art und Weise der Rentenberechnung zurückkehren würden. Hier das gesamte Interview zum Nachlesen.